Doing Unequality – Praktiken der Ungleichheit in der ländlichen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit

Doing Unequality – Praktiken der Ungleichheit in der ländlichen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit

Veranstalter
Gesellschaft für Agrargeschichte (GfA); Prof. Dr. Stefan Brakensiek, Historisches Institut, Universität Duisburg-Essen; Dr. Arne Butt, Institut für Historische Landesforschung, Georg-August-Universität Göttingen
Veranstaltungsort
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.06.2019 - 29.06.2019
Deadline
30.09.2018
Website
Von
Arne Butt, Georg-August-Universität Göttingen

Call for papers für die wissenschaftliche Tagung der Gesellschaft für Agrargeschichte (GfA) „Doing Unequality – Praktiken der Ungleichheit in der ländlichen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit“:

Die Sozialgeschichtsschreibung hat keinen Zweifel daran gelassen, dass das vormoderne Dorf kein Hort sozialer Gleichheit war. Das galt nicht erst für das 18./19. Jahrhundert, sondern bereits zuvor für die lange historische Phase seit dem 14. Jahrhundert, in der Quellen belegbare Aussagen zu solchen Sachverhalten überhaupt zulassen. Ungleichheit betraf unterschiedliche Dimensionen, zuallererst die Ökonomie, die sich im Umfang von Verfügungsgewalt über Acker- und Wiesenland, Wälder und Weiden, Gebäude und Vieh, landwirtschaftliche und gewerbliche Betriebsmittel, Bargeld und Kredit und vieles mehr erwies. Hinzu kamen in vielen Regionen Unterschiede der politischen Mitsprache im Dorf, die sich z.B. am Vorhandensein oder am Fehlen des Ortsbürgerrechts festmachen lässt, die aber auch in der sozialen Ordnung des Dorfes verankert sein konnte, wie in weiten Teilen des deutschen Nordens, wo selbst der bäuerliche Teil der Landbevölkerung ständisch fein gegliedert erscheint: in Meier und Kötter, in Voll-, Halb- und Viertelerben und was der regionalen Kategorien gesellschaftlicher Unterscheidung mehr sind. Selbst dort, wo die „ganze Gemeine“ als rechtlicher Akteur auftrat, blieben bestimmte Einwohner rechtlich ausgeschlossen, bedingt durch ihren sozialen Status als Mägde und Knechte oder Zugezogene, in vielen mehrherrigen Dörfern jedoch auch durch ihre Abgabenpflicht gegenüber einem anderen als dem größten Grund- und Gerichtsherrn im Ort. Dimensionen der Ungleichheit betrafen aber nicht nur ganze Haushalte, quer dazu verliefen die Demarkationslinien zwischen den Geschlechtern, zwischen Mann und Frau, sowie zwischen den Generationen, zwischen den verheirateten bzw. verwitweten Haushaltsvorständen einerseits und den Unverheirateten andererseits, deren Selbstbestimmung üblicherweise eingeschränkt war.
Das alles ist wie gesagt keineswegs neu, noch unbekannt. Was in der Sozialgeschichte als Dimensionen der Ungleichheit benannt wird, beruht freilich auf Verhaltensweisen. Wie alle Erscheinungen menschlicher Existenz wird auch Ungleichheit im Handeln hergestellt, durch willentliche Tätigkeiten oder habitualisierte Akte, die das Gefälle zwischen den beteiligten Akteuren bestätigen und auf Dauer stellen, aber auch herausfordern und infrage stellen können. Eine einzelne Handlung kann mehrere Dimensionen gesellschaftlicher Ungleichheit betreffen, in ihr „überkreuzen“ sich oftmals verschiedene Zuschreibungsebenen. Handeln unterliegt zudem Deutungen: Erst in der konkreten Bedeutung, die der Handelnde selbst oder ein Beobachter einer Handlung zuschreibt, wird Ungleichheit zur gelebten Praxis, gewinnt dadurch Realität und entfaltet Wirkung. Letzteres gilt in besonderer Weise für das Handeln in der Öffentlichkeit, deren Zuschnitt je nach Kontext variieren kann. Im Umkehrschluss gilt aber auch: Anhand bestimmter Kriterien ermittelte Ungleichheit, die nicht im konkreten Handeln Gestalt gewinnt bzw. zu der sich solches Handeln nicht nachweisen lässt, kann sich als anachronistisches Forschungskonstrukt erweisen, wenn sie für das Leben im vormodernen Dorf keine Relevanz entwickelt.
Die Jahrestagung 2019 der Gesellschaft für Agrargeschichte widmet sich der Frage, auf welchen Schauplätzen und in welchen Formen sich die Ungleichheit der Einwohner im vormodernen Dorf manifestierte und wie sich die dörfliche Gemeinschaft diese Rangunterschiede gleichsam vergegenwärtigte. Doing Unequality meint dabei jene öffentlichen Praktiken, die Ungleichheit als den Zeitgenossen präsentes Phänomen charakterisieren. Den besonderen Reiz entfaltet das Thema durch die Vielzahl der möglichen Zugänge. Um nur einige zu nennen: Wie wurde die gesellschaftliche Ungleichheit in Dorfordnungen verstetigt? Wie reproduzierte und veränderte sie sich bei öffentlichen Anlässen wie z.B. in Gemeindeversammlungen, auf dörflichen Gerichtstagen oder bei Pfarrereinsetzungen? Welche gesellschaftlichen Gruppen sicherten sich die öffentlichen Ämter und welche Abschließungstendenzen sind zu beobachten? Wer stand im Kontakt zu Grund- und Gerichtsherren, welche Akteure konnten auf die Besetzung herrschaftlicher Ämter einwirken und gelang es ggf., diesen Einfluss dauerhaft zu monopolisieren? Inwieweit konnte ökonomischer Erfolg benachteiligter Gruppen vorhandene Hierarchien verändern? Wer waren die Befragten in kirchlichen bzw. weltlichen Visitationen und welche Gruppen konnten in diesem Zusammenhang andere denunzieren bzw. waren vorrangig von Denunziation betroffen? Und schließlich auf dem Feld der Bau- und Kunstgeschichte: Wie materialisierte sich gesellschaftliche Ungleichheit im dörflichen Baubestand oder in den verschiedenen Repräsentationsformen im Kirchenraum?
Mit dem Fokus auf die ‚gelebte‘ Ungleichheit wird ein Querschnittsthema in den Blick genommen, dessen einzelne Aspekte in der Forschung zu vormodernen ländlichen Gesellschaften wiederholt aufscheinen bzw. herausgearbeitet wurden. Die Tagung möchte einen Beitrag leisten, um diese historisch greifbaren Handlungselemente zu einem größeren Bild zusammenzuführen.

Mit diesem Call for papers möchten wir Wissenschaftler/innen, deren Forschungen das aufgezeigte Themenfeld berühren, dafür gewinnen, an der Tagung teilzunehmen und bitten Interessierte, ihren Vortragsvorschlag mit einem kurzen Exposé (max. 2 Seiten) bis zum 30.9.2018 per E-Mail an folgende Adresse richten:
Arne Butt, Institut für Historische Landesforschung, Universität Göttingen, arne.butt-1@phil.uni-goettingen.de

Programm

Kontakt

Arne Butt

Heinrich-Düker-Weg 14, 37073 Göttingen

0551-39-21212

arne.butt-1@phil.uni-goettingen.de